Samstag, 18. November 2017

… dass ich in den Himmel komm

Predigt am Vorletzten Sonntag des Kirchenjahres, 19. November 2017, über Lukas 16,1-9:

Jesus sprach zu den Jüngern:
Es war ein reicher Mann, der hatte einen Manager. Diesen bezichtigte man bei ihm, er verschwende sein Vermögen. Er rief ihn herbei und sprach zu ihm:
- Was hat es mit dem auf sich, was ich über dich höre? Lege Rechenschaft ab über deine Buchführung, denn du kannst nicht mehr mein Manager sein.
Der Manager sagte sich:
- Was soll ich machen, wenn der Herr mir die Verwaltung wegnimmt? Mit den Händen arbeiten kann ich nicht, zu betteln schäme ich mich. Ich weiß, was ich tue, damit sie mich gastlich in ihren Häusern aufnehmen, wenn ich von der Verwaltung abgesetzt bin!
Und er bestellte jeden einzelnen Schuldner des Herrn zu sich. Zu dem erstem sprach er:
- Wieviel schuldest du meinem Herrn?
Er antwortete:
- Hundert Bat Öl.
Er sprach zu ihm:
- Nimm deinen Schuldschein, setz dich gleich hin und schreibe: Fünfzig.
Dann fragte er einen anderen:
- Du, wieviel schuldest du?
Er antwortete:
- Hundert Kor Weizen.
Sagt er zu ihm:
- Nimm deinen Schuldschein und schreibe: Achtzig.
Jesus lobte den ungerechten Manager, weil er klug gehandelt hatte:
- Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts. Ich sage euch: Schafft euch Freunde mit dem ungerechten Besitz, damit, wenn er zu Ende ist, sie euch in die ewigen Behausungen aufnehmen.
(eigene Übersetzung)

Liebe Schwestern und Brüder,

„lieber Gott, mach mich fromm,
dass ich in den Himmel komm“.
Das ist ein Satz des Kindergebetes, das meine Mutter abends mit mir an meinem Bett sprach.
„… dass ich in den Himmel komm“:
Am Ende des Kirchenjahres werden wir an den Himmel als das Ziel unserer christlichen Existenz erinnert. Wir leben nicht nur in dieser Welt und für diese Welt. Wir sind „Kinder des Lichts“, die auf einen Himmel warten, der noch kommt.

Allerdings haben wir es nicht eilig damit, in den Himmel zu kommen. Der Himmel, der kommt, kann sich mit dem Kommen ruhig Zeit lassen. Anders als Paulus, der „Lust hatte, den Leib zu verlassen und daheim zu sein bei dem Herrn“ (2.Korinther 5,8), anders auch als unsere Vorfahren, die sangen: „Ich wollt, dass ich daheime wär und aller Welte Trost entbehr“ (EG 517,1), fühlen wir uns wohl in unserer Haut und in unserem Haus. So wohl, dass wir keine Eile haben, sie zurückzulassen, im Gegenteil: Wir erfreuen uns an dem, was wir besitzen. Und verwenden es, um unser Zuhause noch gemütlicher zu machen, unsere Haut noch sanfter und geschmeidiger.

Jesus dagegen nennt den Besitz „ungerecht“ und empfiehlt, ihn anders einzusetzen: Nicht für sich selbst, sondern für andere. Man soll sich Freunde damit schaffen, um Aufnahme zu finden in die ewigen Behausungen.

I. Jesus als Anlageberater - eine ungewöhnliche Rolle für ihn. Aber es ist ja auch eine ungewöhnliche Geschichte, die er da erzählt: Von einem Manager, dessen Misswirtschaft auffliegt, weshalb er entlassen werden soll. Und der daraufhin seinem Chef noch einmal schadet, indem er Schuldscheine zugunsten der Gläubiger seines Chefs fälscht, um sich einen letzten Vorteil zu verschaffen. So eine Geschichte kommt einem nicht unbekannt vor - solche Manager hat es ja tatsächlich hin und wieder gegeben. Was aber der Sache die Krone aufsetzt, ist, dass Jesus dieses kriminelle Verhalten des Managers nicht kritisiert, sondern ausdrücklich lobt.

Auf einen solchen Gedanken kann nur kommen, wer eine ganz und gar verkehrte Einstellung zu Geld und Besitz hat. Die zeigt Jesus ja auch, indem er ihn ungerecht nennt. Bibelstellen wie diese haben Jesus den Verdacht eingetragen, ein „Linker“ zu sein, gar ein Kommunist. Aber bevor auch wir Jesus so abstempeln, sollten wir ihm die Chance geben, sich zu erklären: Warum sollte Besitz ungerecht sein?

Unsere Gesellschaft regelt den Umgang mit Besitz sehr genau. Es gibt Regeln, wie man seinen Besitz weitergibt - das Erbrecht; wie man ihn vermehrt - das Banken- und Aktienrecht - oder ihn verliert: das Konkursrecht. Diese Regeln sollen dafür sorgen, dass in Fragen des Besitzes alles mit rechten Dingen zugeht, vor allem: Dass der Besitz den Anschein der Rechtmäßigkeit und des Rechtes hat. Das ist wichtig, denn Besitz ist ungleich verteilt. Das ruft Neider auf den Plan. Sehr wenige besitzen sehr viel, sehr viele besitzen sehr wenig, und die sogenannte „Mitte“ zwischen den beiden Extremen wird immer schmaler. Was für unser Land gilt, gilt noch mehr im globalen Maßstab. Nach diesem Maßstab sind selbst unsere Ärmsten noch reicher als die meisten Menschen auf der Welt. Das nützt ihnen nur nichts; bei uns können sie sich dafür nichts kaufen.

II. Ist es also die ungleiche Verteilung des Kapitals, die den Besitz in den Augen Jesu ungerecht macht?
Die Bibel macht sich keine Gedanken darüber, dass Besitz ungleich verteilt ist. Reichtum ist nicht an sich schlecht, gilt sogar als Zeichen dafür, von Gott besonders gesegnet zu sein. Allerdings besteht die Bibel darauf, dass Eigentum verpflichtet, Armen und Kranken zu helfen, Witwen und Waisen nicht sich selbst zu überlassen.
Jesus denkt hier nicht anders.
Und doch will er, dass seine Nachfolgerinnen sich von ihrem Besitz trennen. Es scheint, als habe Jesus eine gewisse Abneigung gegen den Besitz. Er nennt ihn abfällig „Mammon“ und scheint, wenn nicht Angst, so doch Respekt vor ihm zu haben. Denn manchmal wirkt es so, als entwickle dieser „Mammon“ ein Eigenleben. Als könne er einen Menschen besetzen wie ein Dämon und ihn vom Geld besessen machen.

Jesus hat eine unerklärliche und unverständliche Abneigung gegenüber dem Besitz. Das macht es schwer, ihm darin zu folgen. Es wäre besser, wenn es nachvollziehbare Gründe für diese Abneigung gäbe. Noch immer wissen wir nicht, was am Besitz eigentlich so unegrecht sein soll. Aber wir können Jesus leider nicht fragen. Also bleibt uns nur, Vermutungen anzustellen.
Ich vermute, die Ungerechtigkeit, die Jesus im Besitz sieht, liegt in der Ungleichheit, die er schafft.
Nicht in der oberflächlichen Ungleichheit, dass eine mehr hat als die andere.
Sondern in der Ungleichheit, die darin besteht, dass Besitz Sicherheit verschafft, während die Mittellose in Unsicherheit leben muss.

Man kann das am besten an Flüchtlingen studieren, die mit nichts kommen als dem, was sie in der Hand und auf der Haut tragen. Sie sind der Willkür und dem Wohlwollen der Besitzenden ausgeliefert. Als Habenichtse haben sie bei uns kein Zuhause - und keine Rechte. Sie kommen als Bittsteller, denen jedes einzelne Recht gewährt oder entzogen werden kann.

III. So sind die Vorfahren einer jeden von uns gewesen. Bei einigen liegt es erst ein oder zwei Generationen zurück, dass die Eltern oder Großeltern als Kriegsflüchtlinge hierher kamen. Aber auch die, die „schon immer“ hier leben, haben Ahnen, die einmal hierher gezogen sind. Nicht als Flüchtlinge vielleicht, aber als Fremde, die hier keine Heimat und keine Rechte hatten. Die um Aufnahme baten und um das Recht, zu bleiben.

Ungerecht ist, dass es Menschen gibt, die dieses Bleiberecht vergeben, und andere, die darum bitten müssen, und dass dieses Recht mit dem Besitz verbunden ist.
Wenn Jesus auffordert, auf den Besitz zu verzichten, zielt er darauf ab, dass wir dieses Recht aufgeben. Wir sollen mit dem Besitz das Recht aufgeben, dazuzugehören und über die Zugehörigkeit anderer zu entscheiden. Die Aufgabe des Besitzes bedeutet die Aufgabe der Sicherheit, die dieser Besitz vermittelt.

Aber wer sollte das wollen?
Wer würde wie ein Flüchtling leben wollen, abhängig vom Wohlwollen und den Launen seiner Mitmenschen?
Jesus hat so gelebt:
„Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester“, sagte er (Lukas 9,58), der selbst die Sicherheit eines Unterschlupfes aufgegeben hatte. Jesus überließ sich voll und ganz dem Wohlwollen und den Launen seiner Mitmenschen. Und die taten mit ihm, was sie immer mit Schwachen und Wehrlosen tun: Sie machten ihn zum Sündenbock, sie quälten ihn, sie brachten ihn um.

IV. Wir sollen nicht so sein wie Jesus.
Wir brauchen es nicht, wir können es auch gar nicht.

Jesus hat uns ein Beispiel gegeben, das wir uns vor Augen halten sollen: Das Beispiel, was mit Ohnmächtigen und Schwachen geschieht, wenn sie den Menschen in die Hände fallen.
Und was wir deshalb anders machen können und sollen:
Im Fremden, im Armen, im Gefangenen, im Kranken, im Menschen mit einem Handicap Jesus sehen. Wir können voraussehen, welches Schicksal ihnen droht, wenn wir ihnen nicht helfen. Wir können ihnen unser Herz, unsere Hand öffnen, und die Tür unserer Gemeinde.

Jesus hat uns ein Beispiel gegeben, das wir uns vor Augen halten sollen: Dass am Ende Ohnmacht und Schwäche stärker sind als Hass, Gewalt, Macht und Körperkraft. Der Ohnmächtige und Schwache steht wieder auf, steht am Ende als Sieger da über alle angeblichen Stärken.

Das ist der Himmel.
Der Himmel ist da, wo alle Menschen zuhause sind und alle die selben Rechte haben - ungeachtet ihrer Herkunft, ihrer Vergangenheit, ihrer Leistungen oder ihres Besitzes.
Der Himmel ist da, wo jede selbstverständlich dazugehört und niemand eine andere um etwas bitten muss.
Der Himmel ist da, wo Besitz keine Bedeutung hat, und man deshalb verschwenderisch mit ihm umgeht.

V. Der Himmel ist noch fern.
Manche warten auf ihn.
Manchmal blitzt er auf, zeigt sich für Augenblicke,
in denen Menschen teilen und abgeben von dem, was sie besitzen.
Wo Menschen großzügig, verschwenderisch sind.
Wo sie nicht nach Recht und Erlaubnis fragen, sondern Türen öffnen und einladen.
Diesen Himmel suche ich.
In diesen Himmel möchte ich gelangen,
lieber heute als morgen.
Amen.


Die Vorüberlegungen zu dieser Predigt finden sich hier.